Biographisches Evangelium des Herrn von der Zeit an, da Joseph Mariam zu sich nahm
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9. September 1843 |
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 m Morgen aber, als Joseph sich schon zur Abreise nach Bethlehem angeschickt hatte, kam der junge Israelit und war willens, den Mietgroschen zu verlangen.
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Aber als er in die Kammer trat, befiel ihn alsobald eine so mächtige Angst, daß er darob keinen Laut über seine Lippen zu bringen vermochte.
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Joseph aber trat hin zu ihm und sagte: ,,Freund! siehe, was wohl hältst du an mir für einen Groschen wert? - Das nehme, da ich kein Geld in meinem Besitze habe!"
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Nun erholte sich der Israelit etwas und sagte mit bebender Stimme: ,,Mann aus Nazareth, nun erst erkenne ich dich! - Du bist Joseph, der Zimmermann, und bist derselbe, dem vor neun Monden Maria, die Jungfrau des Herrn, aus dem Tempel durchs Los zugefallen ist!
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Hier ist dieselbe Jungfrau! - Wie hast du sie gehütet, da sie nun Mutter ist in ihrem fünfzehnten Jahre? - Was ist da vorgefallen?
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Wahrlich, du bist der Vater nicht! Denn Männer von deinem Alter und von deiner Gottesfurcht, die anerkannt ist in ganz Israel, tun desgleichen nimmer.
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Aber du hast erwachsene Söhne; kannst du bürgen für deren Unschuld? Hast du sie stets in den Augen gehabt und hast beobachtet all ihr Denken, Handeln, Tun und Lassen?"
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Joseph aber entgegnete dem jungen Manne und sprach: ,,Nun habe auch ich dich erkannt; du bist Nikodemus, ein Sohn Benjams aus dem Stamme Levi! Wie magst du mich erforschen wohl, da dir solches nicht zukommt? - Mich aber hat der Herr erforschet darum im Heiligtume und auf dem Berge des Fluches und hat mich gerechtfertiget vor dem Hohen Rate; was für Schuld willst du noch an mir und meinen Söhnen finden?
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Gehe aber hin in den Tempel und erforsche den Hohen Rat, und es wird über mein ganzes Haus dir ein rechtes Zeugnis gegeben werden!"
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Diese Worte drangen dem jungen reichen Manne tief ins Herz, und er sagte: ,,Aber um des Herrn willen, wenn es also ist, so sage mir doch, wie es zugegangen ist, daß diese Jungfrau also geboren hat! - Ist das ein Wunder, oder ist es natürlich?"
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Hier trat die anwesende Wehmutter hin zum Nikodemus und sprach: ,,Mann! Hier ist der Mietgroschen für die höchst dürftige Herberge! Halte uns aber nicht vergeblich länger auf; denn wir müssen noch heute in Bethlehem eintreffen!
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Bedenke aber, was das ist, was heute in deinem Hause dürftig beherberget war um einen Groschen! - Wahrlich, wahrlich! deine herrlichsten Zimmer, die mit Gold und Edelsteinen gezieret sind, wären zu schlecht für solche Herrlichkeit Gottes, die da eingekehrt ist in diese Kammer, die sich höchstens für Sträflinge schickt!
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Gehe aber hin und rühre an das Kindlein, auf daß von deinen Augen falle die grobe Decke und du sehest, wer dich heimgesucht hatte! - Ich als Wehmutter aber habe das alte Recht, dir zu gestatten, das Kindlein anzurühren."
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Hier ging Nikodemus hin und rührte an das Kindlein; und als er es berührt hatte, da ward ihm die innere Sehe auf eine kurze Zeit erschlossen, daß er ersah die Herrlichkeit Gottes.
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Er fiel sobald nieder vor dem Kinde und betete es an und sprach: ,,Welche Gnade, welche Liebe und welche Erbarmung muß, o Herr, in Dir sein, daß Du also dein Volk heimsuchest!
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Was solle aber ich nun mit meinem Hause geschehen lassen, und was mit mir, daß ich die Herrlichkeit Gottes also verkannt habe?!"
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Die Wehmutter aber sprach: ,,Bleibe in allem, wie du bist; aber allertiefst schweige von dem, was du gesehen, sonst unterliegst du dem Gerichte Gottes!" - Hier gab Nikodemus den Groschen zurück, ging weinend hinaus und ließ hernach diese Kammer mit Gold und Edelsteinen verzieren. - Joseph aber machte sich sogleich auf die Reise.
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